„Keine Angst“
Köln-Buchforst: Eindrücke aus einer Spielgruppe für Kinder, die von häuslicher Gewalt betroffen sind.
Cheyenne erstarrt, blickt erschrocken, ängstlich. Sie hat eine große, dunkle Wolke gemalt, dabei ist der Stift zerbrochen – es hat einfach ‚krack‘ gemacht. Martina kommt. Sie leitet die Spielgruppe. Freundlich sagt sie: „Oh, der Stift ist kaputt, hier ist ein anderer, der hat fast die gleiche Farbe. Willst du den nehmen?“ – kein Schimpfen, kein Schreien, keine Schläge.
Für Cheyenne ist dies immer noch ungewohnt. Zögernd nimmt sie den Stift und malt weiter. Erst vorsichtig, dann werden ihre Bewegungen freier, größer – bald schon malt sie wieder schwungvoll weiter an ihrer Wolke.
... mal selbst bestimmen, was man machen will.
Cheyenne ist eines von acht Kindern, die alle zwei Wochen in die Spielgruppe kommen. Heute hat Martina sie abgeholt, weil ihre Mama manchmal vergisst, dass sie in die Spielgruppe darf. Hier ist es schön, hier kann man gemeinsam malen, manchmal auch wilde Spiele spielen. Hier kann man auch mal selbst bestimmen, was man machen will. Und hier wird nicht geschimpft. Martina hat ihr auch gezeigt, wie sie ihr Krafttier – einen kleinen grünen Drachen – rufen kann. Auch Sorgenpüppchen haben sie zusammen gebastelt.
Cheyenne schaut Martina an. „Was hast du gemalt?“ fragt die Leiterin interessiert. „Meine Kopfwolke“ sagt Cheyenne, lässt die „Kopfwolke“ liegen und läuft rüber zum Hüpfspiel.
Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung

Väter und Mütter wollen gute Eltern sein. Sie wollen ihren Kindern Zuwendung geben, sie fördern und beschützen. In manchen Familien kann ein Streit allerdings schnell in Gewalt ausarten. Die meisten Kinder, die häusliche Gewalt miterleben, schämen sich für das Verhalten ihrer Eltern. Dies macht es ihnen schwer, sich jemandem anzuvertrauen.
Kinder fühlen sich schuldig für das, was zu Hause passiert. Es ist wichtig, diesen Kindern deutlich zu machen, dass sie für das Verhalten ihrer Eltern nicht verantwortlich sind.
Kinder orientieren sich an dem, was ihre Eltern ihnen vorleben. Wenn sie Gewalt erleben, wird diese zur Normalität. Sie lernen, dass Gewalt zur Durchsetzung eigener Interessen „normal“ ist. Sie lernen nicht, dass es in Konfliktsituationen auch positive Verhaltensalternativen gibt. Im Erwachsenenalter wiederholt sich für diese Kinder oft das Erlebte, nämlich die Ausübung bzw. die Erduldung von Gewalt. Kinder brauchen daher qualifizierte Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Gewalterfahrungen.
Hilfe zu suchen – und diese auch anzunehmen – ist für alle betroffenen Familienmitglieder sehr schwer. Für manche leider oft undenkbar. Den Zugang zu Hilfen bestimmen die Erwachsenen. Deshalb sind niedrigschwellige Angebote, noch jenseits der Kinder- und Jugendhilfe, wichtig. Der Besuch einer Spielgruppe ermöglicht es den Kindern ohne Scham, Hilfe in Anspruch zu nehmen und zeigt den Eltern Möglichkeiten, wie sie mit weiterführenden Angeboten aus der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe ihre Situation verbessern können.

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